Zu Huss im Veedel - Quartiersprojekt

von Marius Henne

Zu Huss im Veedel - Quartiersprojekt

Teilnehmerinnen der „Leserunde - Geschichtenstunde“ im Freien. (Foto: Manuel Nyßen)

Im Quartiersprojekt „Zu Huss im Veedel“ in Köln-Buchforst werden die Geschichten nicht nur in Form von Büchern ausgetauscht: Hier begegnen sich ältere Menschen aus der Nachbarschaft und der Seniorenwohnanlage regelmäßig im Nachbarschaftstreff „BuNT“ und lesen sich gegenseitig Texte verschiedenster Art vor. „Zu den Teilnehmerinnen zählen zum Beispiel eine Journalistin, die für verschiedene Zeitungen geschrieben hat, eine über 90-jährige Frau, die gern eigene Reiseberichte vorträgt und eine blinde Dame, die den Vorlesenden zuhört und sich im Gespräch beteiligt“, erzählt Quartiersmanager Manuel Nyßen. Er ist seit 2020 im Projekt tätig, das 2018 vom Zu Huss e.V. etabliert und von uns insgesamt mit rund 199.000 Euro gefördert wurde.

Was vorgelesen wird, ist den Teilnehmenden frei überlassen. „So wird mal ein Auszug aus einem Buch vorgelesen, mal ein selbstgeschriebenes Gedicht, Kindheitserinnerungen oder ein persönlicher Erfahrungsbericht“, so der Initiator der Aktion „Leserunde – Geschichtenstunde“. Verpflichtet, etwas vorzulesen, ist niemand: „Man darf auch nur zuhören.“ Aktuell findet die Lesestunde Corona-bedingt bei gutem Wetter im Innenhof statt.

Frau Wegner ist eine regelmäßige Teilnehmerin der Leserunde. Sie erinnert sich: „Einmal hat eine Frau von ihrer Kindheit erzählt und daraufhin von der Kindheit ihrer eigenen Kinder. Sie hat ganz persönliche Kindheitsgeschichten aus verschiedenen Zeiten in Einklang miteinander gebracht, das hat mir sehr gut gefallen.“ Manche Texte finde sie heute noch wertvoller als früher, doch auch vor Veränderung solle man sich nicht scheuen: „Jeder darf frei wählen, was er gern lesen möchte. Man sollte flexibel sein, mit der Zeit gehen und sich auch neuen Dingen öffnen.“

Schnelle Kommunikationsmittel wie Messenger-Dienste werden auch zunehmend von Seniorinnen und Senioren adaptiert und „das Internet scheint von einer Kurzmitteilungs- und Schlagzeilenkultur durchdrungen zu sein, sodass kurze Aufmerksamkeitsspannen beim Lesen eine zunehmende Tendenz zu haben scheinen“, sagt Manuel Nyßen. „Doch Lesen bietet weiterhin tiefgreifende Möglichkeiten, Berührungspunkte zwischen Menschen zu schaffen, indem Gedanken- und Gefühlswelten geteilt werden. Ich persönlich halte Lesen deshalb nicht nur für zeitgemäß, sondern für zeitlos.“

Die Lesestunde ist ein Angebot, dass Gemeinschaften und Freundschaften formen kann: „Eben dadurch, dass Erfahrungen geteilt werden, mit denen man sich zuvor vielleicht allein gefühlt hat“, so der Quartiersmanager und Soziologe. „Eine Lesegruppe bietet Raum für Themen, die im Alltag oft untergehen. So wird ein Gefühl der Zugehörigkeit gefördert.“ Gemeinsam auf literarische Reisen gehen – das stärkt den sozialen Zusammenhalt.

Zum nächsten Treffen wird Manuel Nyßen selbst ein Buch mitbringen: Rainer Maria Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“. Der Quartiersmanager begründet die Wahl seine Lieblingsbuches: „Seine Briefe haben für mich einen zeitlosen Wert. Vielleicht, weil sie in der heutigen, schnelllebigen Zeit wesentliche menschliche Lebensthemen aufdecken und mit Sorgfalt behandeln.“

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